– und was sie daran hindert
Letzte Woche war ich im Fitnessstudio. Auf meinem Krafttrainingsprogramm: Untere Extremitäten, drei verschiedene Supersätze, 4 Sätze à 6-10 Wiederholungen. Zum Aufwärmen gab es Tabata auf dem Ruderergometer und fünf Minuten Mobility. Während ich trainierte, beobachtete ich eine Frau, etwa 60 Jahre alt, sehr dünn, die eine Mischung aus Crosstraining, Bosu-Übungen und Laufband absolvierte. Das stimmte mich nachdenklich – und ich musste an meine Oma denken.
Als ich ihr stolz ein Bild meines Homegyms zeigte, in dem meine Tochter (2 Jahre alt) gerade an einer Langhantel zog, meinte sie: „Wer trainiert denn da?“ Ich entgegnete: „Na, wir“, und zeigte auf meine Tochter und meinen Partner. Daraufhin sagte sie nur: „Ihh, das ist eklig, das solltest du nicht machen!“
Diese Reaktion ist nicht ungewöhnlich und ein typisches Beispiel dafür, wie wenig Krafttraining als wesentlicher Bestandteil der Gesundheitsvorsorge bei Frauen verankert ist. Es gibt viele Missverständnisse und Ängste, die Frauen davon abhalten, sich mit Krafttraining auseinanderzusetzen. Diese Ängste wurzeln in gesellschaftlichen Stereotypen, fehlendem Wissen und dem Mangel an Vorbildern. Doch es ist höchste Zeit, den Mythos zu entkräften, dass Krafttraining nicht für Frauen geeignet ist.
Gesellschaftliche Stereotype und Ängste
„Ich will nicht wie ein Bodybuilder aussehen!“
Sorry, Mädels, das ist ein weit verbreitetes Missverständnis – so leicht geht das leider nicht. Viele Frauen befürchten, dass sie durch das Heben von Gewichten schnell massig oder „zu muskulös“ werden. Doch das ist biologisch gesehen nahezu unmöglich. Frauen haben aufgrund ihres Hormonstatus nicht die gleiche Fähigkeit wie Männer, enorme Muskelmassen aufzubauen. Ein optimales Zusammenspiel zwischen progressivem Training und einer ausgewogenen, proteinreichen Ernährung ist nötig, um überhaupt nennenswerte Muskelmasse zu entwickeln.
Fehlende Vorbilder
Ein weiteres Problem ist der Mangel an weiblichen Vorbildern im Bereich Kraftsport. Viele Frauen wachsen ohne das Wissen auf, dass das Heben von Gewichten eine der effektivsten Methoden ist, um den Körper fit und gesund zu halten. Zwar gibt es immer mehr Fitness-Influencerinnen oder Profi-Sportlerinnen in den sozialen Medien, die Stärke und Selbstbewusstsein ausstrahlen, aber im realen Leben fehlen oft die Vorbilder, die uns zeigen, dass Krafttraining nicht nur erlaubt, sondern sogar notwendig für die Gesundheit ist.
Unwissenheit und Missverständnisse
Viele Frauen glauben, dass sie nur durch Ausdauersport wie Laufen oder Radfahren fit werden können und dass Krafttraining unnötig ist. Doch ohne Krafttraining ist es nahezu unmöglich, die eigene Muskelmasse zu erhalten oder den Stoffwechsel anzukurbeln – besonders im fortgeschrittenen Alter (bspw. Menopause) . Ein gezieltes Krafttraining ist die einzige Möglichkeit, gegen den natürlichen Muskelabbau und Knochenschwund vorzugehen und die physische Gesundheit langfristig zu erhalten.
Die Realität: Warum Krafttraining für Frauen unerlässlich ist
Lebensphasen und ihre Herausforderungen
Krafttraining spielt eine entscheidende Rolle in verschiedenen Lebensphasen von Frauen. Besonders in der Pubertät, während der Schwangerschaft, der postpartalen Phase und in den Wechseljahren ist es von unschätzbarem Wert.
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- Pubertät: Während der Pubertät verändern sich die Körperproportionen, und viele Mädchen verlieren das Vertrauen in ihren Körper und hören auf, Sport zu treiben. Krafttraining kann hier eine starke Grundlage für eine gesunde Entwicklung in späteren Lebensphasen schaffen.
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- Schwangerschaft und postpartale Phase: Diese Phasen bedeuten in kurzer Zeit viele körperliche Veränderungen, wobei Krafttraining für die mütterliche und auch kindliche Gesundheit von enormer Bedeutung ist. Ein häufiges Argument während der Schwangerschaft ist: „Ich darf nicht mehr als 5 kg heben.“ Doch der Maxicosi mit Kind wiegt oft 13 kg – und dieser muss im Krankenhaus getragen oder bei Säuglingsuntersuchungen transportiert werden. Krafttraining bereitet die Mutter auf diese Anforderungen vor und kann auch Schwangerschaftsbedingte Schmerzen vorbeugen.
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- Perimenopause & Menopause: In den Wechseljahren sinkt der Östrogenspiegel, was den Abbau von Knochenmasse und die Entstehung von Osteoporose begünstigt. Krafttraining ist eine der besten Methoden, um die Knochengesundheit zu erhalten und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken.
Selbstständigkeit und Lebensqualität
Selbstständigkeit und Lebensqualität
Wusstest du, dass Studien zeigen, dass Frauen ab 30 Jahren ohne regelmäßige Intervention ca. 3-8% ihrer Muskelmasse pro Jahrzehnt abbauen? Die Gründe hierfür sind vielfältig, einschließlich hormoneller Veränderungen und eines oft weniger aktiven Lebensstils (siehe Abb. 1). Dieser natürliche Rückgang der Muskelmasse kann jedoch durch gezieltes Krafttraining verlangsamt oder sogar gestoppt werden.
Ein regelmäßiges Krafttraining hilft nicht nur dabei, die Muskelmasse zu erhalten, sondern senkt auch das Risiko für Stürze und Verletzungen. Wusstest du, dass fast ein Drittel aller Frauen über 65 Jahren jährlich stürzt? Und dass die Wahrscheinlichkeit, nach einem Sturz wieder zu stürzen, bei 70% liegt? Besonders gefährlich wird es, wenn Frauen bei einem Sturz Frakturen erleiden – vor allem an der Wirbelsäule, dem Becken oder den Oberschenkeln. Bei Frauen ist das Risiko, dabei eine Fraktur zu erleiden, höher als bei Männern, und leider sind die 1-, 3- und 5-Jahres-Sterblichkeitsraten nach einem Sturz mit einer Fraktur erschreckend hoch (10-15%).
Doch es gibt gute Nachrichten: Wer aktiv bleibt und seine Muskeln trainiert, bleibt selbstständig und behält die Fähigkeit, alltägliche Aufgaben wie Einkaufen, das Tragen von Einkaufstüten oder das Aufstehen vom Boden zu bewältigen. Krafttraining verbessert nicht nur die Mobilität und Kraft, sondern steigert auch die Lebensqualität. Es sorgt dafür, dass Frauen auch im höheren Alter noch mit ihren Enkeln spielen, Spaziergänge unternehmen und ein selbstbestimmtes Leben führen können – ohne auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein.
Gesundheitliche Vorteile
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- Knochengesundheit / Osteoporose-Prävention: Krafttraining stärkt die Knochen und hilft, die Knochendichte zu erhalten, besonders in den Wechseljahren, wenn das Risiko für Osteoporose steigt.
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- Reduktion von viszeralem Fett: Viszerales Fett, das sich um die Organe ansammelt, ist besonders gefährlich für die Herzgesundheit. Krafttraining hilft, dieses Fett effektiv zu reduzieren und den gesamten Stoffwechsel anzukurbeln.
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- Stoffwechselregulation und Blutzucker: Durch Krafttraining verbessert sich die Insulinempfindlichkeit, was zur Blutzuckerregulation beiträgt und das Risiko für Diabetes senken kann.
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- Stressregulation und Resilienz: Krafttraining hat nicht nur positive Auswirkungen auf den Körper, sondern auch auf den Geist. Es fördert die Ausschüttung von Endorphinen, die den Stress abbauen und die Stimmung heben. Dadurch wird auch die mentale Resilienz gestärkt.
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- Selbstbewusstsein und Empowerment: Krafttraining gibt Frauen das Gefühl von Kontrolle und Stärke. Es steigert das Selbstbewusstsein und vermittelt das Gefühl, den eigenen Körper positiv verändern zu können.
Praktische Tipps und Ansätze
Krafttraining in den Alltag integrieren
Eine der größten Hürden, die viele Frauen vom Krafttraining abhält, ist die fehlende Zeit. Vor allem Mütter klagen oft darüber, keine Zeit für sich selbst zu haben. Doch auch mit wenig Zeit kann Krafttraining enorm effektiv sein. Schon 15 bis 20 Minuten tägliches Training reichen aus, um positive Veränderungen in der Fitness und im Wohlbefinden zu erzielen. Wichtig ist es, das Training flexibel zu gestalten und es nicht als „Zeitverlust“, sondern als Investition in die eigene Gesundheit zu betrachten.
Kinder einbinden
Es gibt zahlreiche Übungen, die auch mit Kindern durchgeführt werden können. Ob als gemeinsame Körpergewicht-Übungen oder als Unterstützung bei Gewichtstraining – Kinder lernen so, dass körperliche Aktivität nicht nur wichtig, sondern auch Spaß machen kann. Das schafft nicht nur eine positive Beziehung zu Bewegung, sondern setzt auch ein starkes Vorbild. Wichtig ist hier, die Erwartungshaltung ans Training herunterzuschrauben. Wenn das Kind mal nicht zu 100% mitmacht, ist auch das kein Drama – etwas ist immer besser als nichts.
Progressives Training
Ein häufiges Missverständnis unter Frauen ist, dass sie sich nur mit leichten Gewichten beschäftigen sollten. Doch der Schlüssel zum Erfolg liegt im progressiven Training – also dem kontinuierlichen Steigern des Widerstands. Wer regelmäßig mit schwereren Gewichten trainiert, erhält nicht nur die Muskelmasse, sondern sorgt auch dafür, dass der Körper effizienter Kalorien verbrennt und die Fitness langfristig verbessert wird.
Fazit: Warum Frauen Krafttraining machen müssen
Krafttraining ist kein „Männerding“, sondern ein entscheidender Bestandteil eines gesunden Lebensstils – besonders für Frauen. Es stärkt nicht nur den Körper, sondern auch den Geist und das Selbstbewusstsein. Ob in der Schwangerschaft, der postpartalen Phase oder in den Wechseljahren – Krafttraining hilft, den Körper fit zu halten, die Gesundheit zu fördern und die Lebensqualität zu steigern.
Es geht nicht darum, wie man aussieht, sondern wie man sich fühlt und was man noch in 10, 20, 30 oder 40 Jahren tun möchte – ob mit den Enkeln spielen, alleine die Einkäufe tragen, alleine vom Boden aufstehen oder sich einfach im eigenen Körper wohlfühlen.
Investiere jetzt in deine Gesundheit – sie wird es dir in den kommenden Jahren danken.
Schreibe dir auf, was du mit 80 noch in der Lage sein willst zu tun, und arbeite dran, dies zu verwirklichen. Nur wer klare Ziele formulieren kann, ist in der Lage, sie zu erreichen.
Brauchst du Hilfe beim Einstieg? Wir helfen dir dabei!
Quellen: